Peter Langgartner
Viola, Brass & Winds im Land der Hämmer
 
 
Nicht nur, dass mein Lebensentschluss zur Musik in einem von Marschmusik dröhnenden Bierzelt irgendwann vor 40 Jahren fiel, ich beneide alle Blasmusiker um Dinge und Grundrechte, die einem Bratschisten immer verwehrt bleiben werden:
bis ins 18. Jahrhundert wurde das Nachtleben von den angesehenen Stadtpfeifern (wie  J.S. Bachs Vater) „abgeblasen". Danach durften sich nur mehr jene, natürlich berufsbedingt, in den Gassen zeigen.
Trompeten und Tuben zum letzten Prosit, wie auch Trompeten und eine „Tuba mirum" unser allerletztes Prosit zum Jüngsten Gericht überleiten werden.
Die Mauern Jerichos wurden von Posaunen zerstäubt, ebenso unsere Nerven bei den alljährlichen
Weckrufen im Morgengrauen des 1. Mai.
Und nicht nur der Terrorismus der puren Lautstärke ist ein Faszinosum, es geht auch leise und unglaublich präzise: z.B. in mancher Bad Ausseer Spontanmusik, wo jeder Tuba spielende Eisenbahner mühelos das pianissimo der Gitarre unterbieten kann.
Nach einem heimatlichen Brauch begleiten stets zwei Flügelhörner ein Brautpaar auf seinem Weg vom Fest in den Alltag.
Von solchen Ehren kann ein Streichinstrumentalist, der mit seiner dünnen Holzschachtel immer an die Raumakustik gefesselt ist, nur träumen. Ja, direkt ausgeliefert sind die Geiger, wenns in der Großen Sinfonie richtig fitzelig wird, dem gnädig alles bedeckenden Bläsereinsatz, dem „Blechschutz", wie es in der Fachsprache heißt.
Bei Hochzeitsfeierlichkeiten dürfen Fiedler höchstens ein Ave Maria beisteuern, und damit den Hauptgrund für eine kirchliche Zeremonie  und machen sich damit nicht uneingeschränkt populär.
Und außerdem, bei anderen Gaudeen, wie Frohnleichnamsumzügen, Begräbnissen, Kundgebungen in Wahlzeiten, etc. lässt sich ein Streicher aus fadenscheinigen Gründen nie blicken.
Für diese, manchmal kriegsähnlichen Wetterschichten müssen dann die Kameraden mit schwer zu mimender Würde gerade stehen.
 
Aus dem allen ist nun verständlich, dass Orchester immer mit zwei Bussen reisen, und warum die Restplätze im Bläserbus nur an Auserwählte vergeben werden.
Ich fühle mich sehr geehrt, dass der Restplatz in "viola, brass and winds" diesmal für mich reserviert wurde, dass ich die Kameraden zu einer wahrlich beinharten, sechsmonatigen Wetterschicht begleiten durfte, in eine Gegend, die allen vorher unbekannt war.
Dass nun der Marsch ins Neuland einer an sich unmöglichen Besetzung, mit Werken, die nie jemand zuvor gehört hatte, eine ewig denkwürdige Unternehmung wurde, danke ich meinen Musikkollegen, unserem Galeerenführer Walter, dem Management von Erich und Gottfried und der voestalpine AG.
Ave Maria und Glück auf!
 
 
Zaininger, Stories von unterwegs
 
Byron war unbestritten der größte aller Storyschreiber von unterwegs.
Childe Harold, "... ein Freund unheilger Lust und Schwärmerei,
der nichts nach andern Erdendingen fragte,
als lockren Frauen, üpp'ger Kumpanei,
und flotter Bruderschaft, wie niedrig auch sie sei ..."
ist nach bald 200 Jahren nach wie vor das Maß aller Last-minute-Kunden.
Harold, in der Erzählung zum Kämpfer für wahre Werte geläutert, lässt am Ende sein Leben im griechischen Freiheitskampf von 1824 auf Seite der Hellenen, nicht aber ohne vorher die Gastfreundschaft des türkischen Militärkonsuls reichlichst ausgeweidet zu haben.
 
Wer sich heute solchem Abenteurertum verschreibt, muss sich schon bis an die letzten Seiten des Neckermannkatalogs durcharbeiten, wo die Spezialreisen stehen.
Pinguinfüttern in der Antarktis, „Auf allen Vieren durch malaiische Mangroven", oder
eine Spritztour durch die Sahara.
Die Nähe der dortigen islamischen Soldateska hat aber einen hohen Preis. Jeeps müssen ein 40-tägiges Fasten über sich ergehen lassen und oft ist auch noch mit Spielverderbern aus der heimischen Politszene zu rechnen:
Eine Gruppe österreichischer und deutscher Touristen hatte es schon weit in die  Verschollenheit geschafft, als jemand, der auch gerne unterwegs ist, aber nicht mitgenommen wurde, nämlich die österreichische Außenministerin, im rosaroten Kampfanzug dem algerischen Ministerpräsidenten ein vorzeitiges Ende der bunten Fahrt abtrotzte:
Schad' drum', was so schön begann in Mahtsara,  und dann?
Es gibt aber noch andere Reisewege, die zwar nicht direkt zu den Krokodilen führen, aber gesät sind mit den Fallstricken menschlichen Denkens. Man entsage dem Friseur, graduiiere mit einem Reiki-Schnellkurs zum Geistermeister oder kaufe sich ein paar Räucherstäbchen und suche sich einen Lehrer, ob in Rama Pradesh oder bei der Sekte gleich um die Ecke, und fertig ist der Yogi.
Raga, Krishna, hare, hare,
Erleuchtete hab'n Rastahaare,
stehen über Raum und Zeit,
der Buddha lächelt,  - und verzeiht.
 
Wie herrlich schlicht, solch einfache Jamben, im Vergleich zu Byrons Spencer-Stanzen!
Und so ähnlich, halt mit vertauschten Silben, wird der vollzählige Kegelverein aus Pappenheim gegröhlt haben, im Jumbo, bound for Bankok, in Vorfreude auf die Schönheiten des Landes.
Im Rotlichtviertel Tavoy waren sie zum letzten Mal gesehen und als ihre Gesänge im Krawall, die Farben der wehenden Seidenhemden im Meer der Leuchtreklamen untergingen, schlug es genau 21:37.
Reiner Zufall  wie auch jede Ähnlichkeit mit anderen Stories von unterwegs.
 
 
Eder, Concertino, Op.124
Das musikalische Spätwerk ist eine unendliche Weide für jede Spekulation.
Welch unfreiwilliges Vergnügen bereiten oft diverse Betrachtungen von Todesnähe, Abgeklärtheit, Stimmen aus dem Jenseits, Vorausahnung.
Tarää  tarää  tarää, „Der dreimalige Akkord" aus der Zauberflöte verkündigt einen abermaligen Auftritt der zwanghaften Gutmenschen mit ihren Sternsingergewändern, in jenen Heiligen Hallen.
Ein Vorauszitat der apokalyptischen Posaunen?
Und es gibt noch mehr offene Fragen: Beethoven, Streichquartett opus ultimo, mit dem Motto „Der schwer gefasste Entschluss. Muss es sein? Es muss sein!": Gibt der Titan, jetzt wo's eng wird, endlich Buttermilch? - oder ist doch nur einer seiner "No-Na-Net-Witze", die er so liebte, als Gruß aus Berlichingen an die damals schon eifrig mitgestaltenden Journalisten wie Anton Schindler und J. Kayser?
„Hin ist all' meine Kraft" schrieb Haydn, obwohl er sie erst richtig entfaltete, als er Mozart schon zweifach überlebt hatte?
Und was ist mit Bachs Bauernkantate, die zeitlich näher am allerletzten "Für Deinen Thron tret' ich hiermit" liegt, als man glauben möchte?
Helmut Eder, lebenslang unnachgiebiger Pionier der Neuen Musik, dabei stets in seinen anderen Werken konziliant und leutselig, hat auf Bitte des schlimmsten aller Musikspekulanten mit 86 Jahren ein Concertino geschrieben und erneut die Frage aufgeworfen, die ihn als einen der Unsrigen mit Haydn und Bach verbindet:
Ist es nun „Hin ist all' meine Kraft" oder „Mir ham a neie Obrigkeit ..."?
 
 
Hindemith, Kammermusik Nr. 5
„Wir sind überzeugt, dass das Konzert in seiner heutigen Form eine Einrichtung ist, die bekämpft werden muss und wollen versuchen, die fast schon verloren gegangene Gemeinschaft zwischen Ausführenden und Hörern wiederherzustellen."
(Hindemith im Prospekt für die 1922 in Frankfurt gegründete Gemeinschaft für Musik)
„Variante eines Militärmarsches" mit schlichtem Gruss an Herrn Mil.Kpl.Mstr. Hans-Peter Bauer.
 
 
Farquhar, "Chap-Chap" (1972)
„Dieses Werk wurde für Gavin Saunders geschrieben, einem neuseeländischen Bratschisten, der einige Monate auf der Insel Lifou (Franz.-Neukaledonien) verbringen wollte, um dort seine Musik mit jener der Inselbewohner zusammenzuführen.
Meine Grundidee war, dass die Lifouaner erst einen Klatschrhythmus als Hintergrund beisteuern sollten, um schließlich die Führung immer mehr zu übernehmen und das Stück zu einem mitreißenden Höhepunkt zu treiben.
Ein erster Versuch mit Kindern lief offensichtlich ganz gut. Als Saunders jedoch das Stück mit einer Gruppe von Erwachsenen probieren wollte, war nur peinliches Kichern das Ergebnis. Es stellte sich heraus, dass Klatschen für die Lifouaner einen Teil des Tanzens darstellt, und Tanzen war von Missionaren verboten worden. Nun forderte sie ein missionarsähnlicher Typ zum Tanzen auf  unglaublich!
Obwohl also die Inselbewohner nicht an diesem Werk teilhaben wollten, gaben sie ihm seinen Namen: „Chap Chap". Gavin Saunders reichte ihn mir weiter, als er nach Neuseeland zurückkehrte.
So manches Publikum hat seither begeistert an der Aufführung dieses Stückes mitgewirkt."
(David Farquhar, 2003)
 
 
who is who
 
ALBIN ZAININGER
Geb. 1962 in Wels
Studium an der Hochschule „Mozarteum" in Salzburg, Privatstudium in München
Begründer und Mitglied verschiedener Ensembles und Orchester (u.a. SBO-Ried,
All Percussion, Talking Mallets, Trio Milonga)
Mitwirkung bei diversen „Sprache-Musik"-Projekten
Tätigkeit als Komponist (schreibt für verschiedene Sparten, von Klaviermusik über Schlagwerk bis hin zu sinfonischer Blasmusik; Theatermusiken)
Lehrtätigkeit an der Landesmusikschule Eferding
Fachgruppenleiter für Schlaginstrumente im OÖ. Landesmusikschulwerk
 
 
HELMUT EDER
Geb. 1916 in Linz
Kompositionsstudien bei Johann Nepomuk David in Stuttgart und Carl Orff in München
Dirigieren bei Fritz Lehmann in München
1950-67 Lehrer am Bruckner-Konservatorium in Linz (Musiktheorie und Komposition)
1967-87 Professor und Leiter einer Kompositionsklasse an der Hochschule „Mozarteum"
in Salzburg
2001 Mozart-Medaille der Stadt Salzburg
Zahlreiche Preise und Auszeichnungen (u.a. Anton-Bruckner-Preis des Landes Oberösterreich
1966 Würdigungspreis des Bundesministeriums für Unterricht und Kunst
1972 Musikpreis der Stadt Salzburg 1992
Werke:
6 Opern, 3 Ballette, Oratorien, 7 Sinfonien, Instrumentalkonzerte, Orchester-,
Kammerorchesterwerke, Kammermusik, Lieder, Orgel-, Klavier-, Chormusik
 
 
DAVID FARQUHAR
Geb. 1928 in Cambridge, Neuseeland
Studium an der Universität Neuseeland und in England (Cambridge und Guildhall School
of Music)
Von 1953 bis 1993 Universitätsprofessor an der Victoria University in Wellington
Werke:
3 Sinfonien, 2 Opern, 4 Streichquartette, Liederzyklen, Musik für Klavier und Gitarre,
Chor- u. Kammermusik, Musik für Kinder u.a.
 
PETER LANGGARTNER
Geb. 1957 in Steyr, Oberösterreich
Studium bei Jürgen Geise und Peter Schidlof (Amadeus Quartett)
Solobratschist am Teatro La Fenice, Venezia (1982/83)
und in der Camerata Academica (bis 1999)
Professur für Viola und Kammermusik am Mozarteum
Mit dem Pro Arte Quartett (1985-2001) auf den meisten Konzertpodien und bei BMG mit
einer Mozart-Gesamtaufnahme vertreten
Als Solist auf Tour mit den Bratschenkonzerten von Telemann, Mozart, Paganini, Hindemith
und Feldman in Österreich, Deutschland, Italien, Spanien, USA, Kanada, Japan
Kammermusik mit Thomas Zehetmair, Benjamin Schmid, Vladimir Mendelssohn, Alois
Brandhofer, Wolfgang Meyer etc.
Artist in residence beim Musikfestival "Allegro vivo", Horn, Niederösterreich
Mit dem Okoun-Ensemble regelmäßig in Japan zu Meisterkursen und Konzerten
Musikkabaretts und Cross-over Projekte zu heiteren und ernsten Themen
Veröffentlichungen
CDs: "Bach And All", Chromatische Fantasie, Suiten BWV 995 und 1012 (ambitus)
Mozart, alle Streichquartette (RCA Red Seal)
Telemann, Violakonzert (Arte Nova)
Britten, Oboenquartett (Okoun-Ensemble) (CMS)
Buch: Ein Menü für Herrn Brahms (Musiksatire) ISBN 3-8311-3774-9
   
 
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